Der Nürnberger Prozess by Joe J. Heydecker Johannes Leeb

Der Nürnberger Prozess by Joe J. Heydecker Johannes Leeb

Autor:Joe J. Heydecker, Johannes Leeb [Joe J. Heydecker, Johannes Leeb]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: xxx-x-xxx-xxxxx-x
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-10-15T16:00:00+00:00


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Hitlers Manager

Unter den Angeklagten von Nürnberg ist der ehemalige Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, zweifellos die geheimnisvollste Gestalt. Er hat dem Gericht manches Rätsel aufgegeben, und die Frage nach seinem Geisteszustand hat Gericht, Anklage und Verteidigung ausführlich beschäftigt. Noch vor Beginn des Prozesses reicht der erste Verteidiger von Heß, Rechtsanwalt Dr. Günther von Rohrscheidt, einen Antrag ein, in dem er das Gericht bittet, einen medizinischen Sachverständigen mit der Untersuchung von Heß und der Erstellung eines Gutachtens über seine Zurechnungs- und Verhandlungsfähigkeit zu beauftragen.

Tatsächlich betraut das Gericht eine Kommission von zehn Ärzten mit der Untersuchung des Angeklagten. Die drei sowjetischen Ärzte und der französische Sachverständige erklären: »Es wurden keine wesentlichen körperlichen Abweichungen vom Normalzustand beobachtet. Er ist eine unausgeglichene Persönlichkeit. Teilweise bewirkt durch das Fehlschlagen seiner Mission, vermehrten sich die anomalen Anzeichen und führten zu Selbstmordversuchen.« Und die britischen Sachverständigen kommen zu dem Schluss: »Er ist gegenwärtig nicht geisteskrank im strengen Sinne des Wortes. Sein Gedächtnisschwund hält ihn nicht vollständig vom Verstehen der Verhandlungen ab, behindert jedoch seine Fähigkeit, seine Verteidigung zu führen und Einzelheiten der Vergangenheit zu verstehen, die im Beweisverfahren eine Rolle spielen könnten. Dieses Anzeichen von Gedächtnisschwund wird möglicherweise verschwinden, wenn andere Umstände eintreten.«

Die Sachverständigen stellen also die Möglichkeit eines Gedächtnisschwundes nicht in Abrede. Haben sie recht? Wer Gelegenheit hatte, Rudolf Heß im Nürnberger Gefängnis zu beobachten, kann nur schwer glauben, dass derselbe Heß Hitlers Vertrauter war und zu den wichtigsten Repräsentanten und Managern des Dritten Reiches und seiner Macht gehörte. Eines der bemerkenswertesten Zeugnisse über das Verhalten von Heß kommt dem 1955 gestorbenen deutschen Gefängnisarzt Dr. Ludwig Pflücker zu, der in seinen Aufzeichnungen schreibt: »Ich wurde bereits in der ersten Nacht wiederholt zu Heß gerufen, weil er Krämpfe habe. Ich sah ihn jedes Mal mit verzerrten Zügen und krampfhaften Bewegungen der Arme im Bett liegen. Der ganze Körper wurde bei diesen Krämpfen geschüttelt. In einer Pause untersuchte ich den Patienten und fand in der Gegend des Magens und der Gallenblase, wo Heß heftige, kolikartige Schmerzen angab, keinerlei krankhaften Befund. Auch die sonstigen Angaben von Heß ergaben kein gesichertes Krankheitsbild. Die Krämpfe traten in der ersten Zeit sehr häufig auf, wohl sechs- bis achtmal am Tage, sodass ich sie ausgiebig beobachten konnte. Ich konnte sie bald nicht anders als nervös deuten – wie die amerikanischen Ärzte auch. Die körperlich sehr anstrengende Form seiner Krämpfe änderte sich übrigens bald, nachdem ihnen keine Beachtung geschenkt wurde, und beschränkte sich auf die schmerzhaften Verziehungen des Gesichts und eine gekrümmte Haltung.

Unermüdlich war Heß in Sonderwünschen für seine Verpflegung, wobei er sich auch zufrieden gab, wenn er eine Kleinigkeit herausschlug. Hatte er zum Beispiel Butter angefordert und erhielt Margarine, so sagte er zuerst, er könne die stark gesalzene Margarine nicht essen, und ließ sich bereden, die übrig gelassene Margarine an seinen Zellennachbarn Göring weiterzugeben. Göring war nun sehr enttäuscht, als ich ihm nach einigen Tagen sagen musste, Heß esse seine Margarine wieder selber. Er habe eine Methode herausgefunden, das Salz herauszuziehen, indem er die Margarine kurze Zeit in Wasser lege. Dass dabei von Entsalzung



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